Northeim (hakö). Frühlingserwachen in der Region, aber auch in Northeim. Die einst zu dieser Jahreszeit aufblühende, Appetit auf Malle-Parties weckende Waldbühne jedoch, viel beachteter, von Generationen geliebter Event-Tempel, scheint die „Intensivstation“ einfach nicht zu verlassen. Der Anblick in diesen jungen Apriltagen schockiert und macht traurig, aber auch wütend. Da liegt sie noch immer im Koma, unweit der Hauptroute der Krötenwanderungen am unteren Teich. Wird sie, einst der Stolz der Kreisstadt, womöglich nie wiedererwachen? 

In Erinnerung bleiben Auftritte weltbekannter Künstler, wie unter anderem Joe Cocker, Lou Reed, Joan Baez, Schürzenjäger und der Kelly Family, nationaler Musikgrößen, wie Roland Kaiser, die schwungvollen, bunten Festivals der Volksmusik gleich nach der Wende, die fetzigen Mallorca-Partys. Dann die Wiedergeburt mit Hilfe eines zu bewundernden Fördervereins. Und jetzt? Rat und Verwaltung, bisherige Bürgermeister, aber auch der Landkreis Northeim als Aufsichtsbehörde, haben es bisher versäumt, die breite Öffentlichkeit für diese in Deutschland wohl zu den besten Bühnen zählende Kulturarena in bester Verkehrsanbindung mit A7 und A38 zu sensibilisieren. Es wächst Moos über ein Juwel, wie es einmaliger nicht sein kann mit bis zu 8.000 Plätzen im weiten Rund. 

Ü30-Partys: Lob für Autohäuser – Junge Generation nicht vergessen! 

Oder, blockiert etwa der „noble Nachbar“ jede weitere Entwicklung? Musik zu laut? Zu extravagant das Publikum? Zu hell die Lichtkegel? Einfach nicht mehr zeitgemäß, eine Open-Air-Bühne mit tanzenden, jubelnden Fans davor und auf den Rängen? Es wäre wünschenswert, wenn man sich bei der Stadt und vor allem im Rat nicht zu sehr hinaus wagt bis ins Moringer Becken, um Windräder in Frage zu stellen, sondern sich mehr um Northeimer Belange kümmert. Dieser Hinweis gilt auch für unsere Bundestagsabgeordneten. Nicht in Berlin spielt die Musik, hier vor Ort sehnt sich der Bürger nach einer gesunden Infrastruktur. Die Parteien sollten sich mal Gedanken machen, wie man die Waldbühne zurück holt in die Herzen derer, die sie lieben und sich in ihr wiederfinden möchten.

Es gibt sie doch noch immer, die Musik verrückte Generation, die gern eintauchen möchte in eine neue Schlagerwelt, die einfach Gefühle unter freiem Himmel austauschen möchte, die Seelenmassagen braucht als Ausgleich für eine in punkto Konkurrenzdenken immer unerträglich werdende Arbeitswelt. Auch ein Stück, das zum Leben gehört. Die Autohäuser haben das erkannt und machen seit Jahren entsprechende Angebote. Das ist die Ü30-Party im Autohaus Dörge, die Party der Handballer im Autohaus Peter und am 14. April die Ü30 im Autohaus Hübener in Einbeck. Und die jüngeren Partygänger? Keine Antworten! 

Wo sind sie, die den Kämmerer der Stadt Northeim nicht nur auf Hochglanzbroschüren zur Bürgermeisterwahl lautstart unterstützenden (Klein-)Unternehmer aus der Mitte unserer Stadt? Auch unter anderem zum Beispiel einem Weinhändler dürfte es zuzumuten sein, die Augen offen zu halten, etwas zu bewegen in und für Northeim, für die Bürgerinnen und Bürger. Nicht nur „ausschenken“ und hinein rufen in den Wald, sondern endlich auch mal aktiv werden. 

Mit der vehementen Forderung: Weg mit Lokschuppen, weg mit Siechenhaus, weg mit Kantorenhaus, weg mit altem, zusammenbrechendem Fachwerk in der Ortsdurchfahrt in Hammenstedt. Hin zu einer blühenden Landschaft um die Waldbühne mit ihrer oft gelobten Akustik, natürlich unter Berücksichtigung einer verbesserten Parksituation. Anbieter für einen Shuttlebus vom Mühlenanger zur Bühne findet man immer. Ich möchte nie wieder erinnert werden an einen NDR-Beitrag nach einem Volksmusik-Festival, wo Michael Thürnau seinen Kollegen Lutz Ackermann fragte, warum Northeim keine Festivals mehr veranstaltet und dieser antwortete: „Weil die Stadt keine weiteren Toiletten bereitstellen möchte, bzw. kann.“ Beschämend! 

Harald März hat der Kultur ihren Stempel aufgedrückt

Die große Zeit, das war 1974. Damals holte der engagierte Kultusamtsleiter, Event- und Kulturmanager Harald März die Les Humphries, die Rocklegende Tote Hosen, Joe Cocker und Purple Schulz. Später folgte Versuche mit einem Country-Festival. Das war aber mehr ein Flopp. Harald März ist noch heute, einige Jahre nach seiner Pensionierung der Überzeugung: „Die von mir und meinem Team so mühsam und langfristig aufgebauten Errungenschaften fielen nach und nach der allgemeinen Sparwut und Verdammung der sogenannten freiwilligen Leistungen zum Opfer“. Die Waldbühne war in der ersten Hälfte der 1990er Jahre übrigens auch der Veranstaltungsort für Open-Air-Rockkonzerte. Unvergessen die Mallorca-Party 2010. Tolle Stimmung auf der Waldbühne. Damals heizten Willi Herren, Jürgen aus „Big Brother“, Mickie Krause und Tim Toupet die Party-Gäste ein. Trotz Champions-League-Finale FC Bayern München gegen Inter Mailand kamen über 1.000 Menschen zum Gesundbrunnen. Sie feierten ausgelassen und fröhlich bis weit nach Mitternacht.

Bürger waren immer stolz auf ihre Freilichtbühne

Das Motiv der Freilichtbühne Niedersachsen/heute kurz Waldbühne schmückt übrigens das Titelblatt des Festbuches „Northeim – 700 Jahre Stadt – 1252 – 1952“ und eines Flyers zur Festwoche vom 15. – 22. Juni 1952. Ein Beweis, welch hohen Stellenwert die Bühne nicht nur für die Northeimer vor 66 Jahren schon hatte. Die Stadt war stolz, wie zu jener Zeit auch auf die Rhume-Mühle (älteste Mühlen-Aktiengesellschaft Deutschlands). Im Jahre 1322 erbaut. In vier Jahren wird sie also 700 Jahre alt. Die nächste Feier in Northeim. Dann mit einem „Dach- oder Terrassencafe“ und grenzenlosem Blick über ganz Northeim. Warum eigentlich nicht! Raus mit den Ideen!

Northeim-News bietet die Plattform für eine Meinungsvielfalt zu diesem Thema „Waldbühne – wohin gehst Du?“ Eines darf unter allen Umständen nicht das Ziel sein, die Zukunft bedeuten, wie schon oft an Stammtischen diskutiert: „Weg mit der Waldbühne. Abreißen! Und dafür neuen Parkraum für Hotelgäste schaffen!“

Fotos: Hartmut Kölling