Kommentar von Hartmut Kölling
Northeim (hakö). Die Kreisstadt Northeim sucht eine Partnerstadt in Großbritannien, wird in diesen Tagen bekannt. Blicken wir zurück: Energie und Überzeugung, mit dem festen Willen zur Versöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern bemühten sich Gebietskörperschaften, Städte und Gemeinden in den frühen 60er Jahren bis in die 80er Jahre intensiv um Partnerschaften und Patenschaften insbesondere mit dem Vereinigten Königreich und dem Nachbarn Frankreich mit dem Ziel, vor allem der Jugend Wege zu weisen für neue Freundschaften zunächst in Westeuropa.
"Bon voyage!" Tausende von Jugendlichen profitierten von Angeboten der Jugendämter in unserer Region, begleitet von einer interessierten Elternschaft und auch von Schulen, die immer stärker den Part der Federführung übernahmen, vor allem der gymnasiale Bereich.
Der internationale Jugend- und Schüleraustausch, internationale Begegnungsfreizeiten in Schullandheimen waren fester Bestandteil im Jahreskalender einer Kommune. Erst spät in den 90er Jahren "radierte" die Politik plötzlich im Haushaltsgefüge, nicht selten mit dem Argument "Alles freiwillige Leistungen". Die Botschaft hieß: "Kaum noch Geld!"
So kamen auch die internationalen Kontakte mit England und Frankreich bundesweit auf den Prüfstand. "Wir haben viel erreicht", hieß es nicht selten auf der politischen Bühne. So blickte man etwas lustlos gen Westen, aber durchaus lustvoller gen Osten nach der Wende. Plötzlich waren Polen, Tschechien und auch Ungarn als Partner im Gespräch vor dem Hintergrund eines zusammenwachsenden Europa.
Kehrtwende. Auf Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Stadt, soll sich nun die Stadt Northeim auf die Suche nach einer Partnerstadt in Großbritannien machen. Grund: Der bevorstehende Brexit. Mit einer Partnerschaft soll die Verbundenheit mit Europa und Großbritannien unterstrichen werden. Menschen und Vereine sollen sich begegnen.
Diese gewollte neue Partnerschaft macht aber nur Sinn, wenn sie ab sofort funktioniert und gelebt wird und sich nicht ständig nur Delegationen mit dem Schiff oder per Flug begegnen. Die Jugend ist das Potential, auf dem wir aufbauen. Sie ist es uns wert und nicht Abgeordnete als "Flashdancer".
Hinweis: Seit 1973 unterhält der Landkreis Göttingen als Rechtsnachfolger der ehemaligen Landkreise Duderstadt und Hann.Münden, eine Partnerschaft zu London Borough of Hackney, einem Stadtbezirk von London. Die Begegnungen konzentrierten sich zuletzt auf private Kontakte sowie Austausche mit Vereinen, Verbänden und Schulen. Es wäre wünschenswert, so der Landkreis Göttingen aktuell, wenn viele Jugendverbände und Schulen den Kontakt auch weiterhin pflegen könnten, um die Partnerschaft mit Hackney nicht abreißen zu lassen.
Northeim sollte alle Möglichkeiten ausloten, vielleicht auf den Zug aufzuspringen, allen voran die Schulen. Patenschaften und Partnerschaften leisten unschätzbare pädagogische Beiträge. Wir sind doch eine Region. Da bieten sich Möglichkeiten, Kontakte ernsthaft zu bündeln, auch über Kreis- und Stadtgrenzen hinweg mit dem Ziel: Gemeinsam an Europa festhalten.
Hackney grenzt unmittelbar an den Stadtkern von London-City. Die Partnerstadt liegt nahezu ideal für den Besuch, für Austausche mit seinen historischen und kulturellen Einrichtungen. Industrie- und Handwerksbetriebe sowie unzählige kleine Läden prägen das Bild dieses Stadtteils. Bezeichnend für Hackney ist, daß in diesem Stadtteil die Bevölkerung mit allen Hautfarben und Religionen der Erde eine Heimat gefunden hat.
Das Foto aus 1984 zeigt eine Jugendgruppe des Landkreises Göttingen vor dem Schloß in Versailles anläßlich ihres Besuches in der französischen Partnerstadt Suresnes bei Paris. Unterbringung in Familien. Das Besuchs- und Besichtigungsprogramm im Pariser Großraum war stets etwas besonderes bei den Aufenthalten in Frankreich, kann ich als ehemaliger Pressesprecher und Partnerschaftsbeauftragter des Landkreises Göttingen berichten.
Foto: Hartmut Kölling